1. Kapitel

 

Hochzeitsvorbereitungen

"Edith"! sagte Margaret leise, "Edith!" Aber wie Margaret es fast vermutet hatte, war Edith eingeschlafen. Sie lag -- wie ein Kätzchen eingerollt -- auf dem Sofa im rückwärtigen Wohnzimmer in Harley Street und sah sehr lieblich aus in ihrem weissen Muslimkleid mit blauen Bändern. Hätte Titania jemals ein weisses Muslimkleid mit blauen Bändern getragen gewesen und wäre auf einem dunkelroten Damastsofa im rückwärtigen Wohnzimmer in Harley Street eingeschafen, hätte man sie mit Edith verwechseln können. Margaret war von neuem von der Schönheit ihrer Cousine beeindruckt. Sie waren von Kindestagen an zusammen aufgewachsen und seitdem sah jedermann Edith's Schönheit -- ausser Margaret, die sie erst in den letzten Tagen bemerkte als ob die Aussicht, ihre Begleiterin bald zu verlieren, Edith's süsse Eigenschaften und Charme verstärkt hätten. Die beiden hatten über Hochzeitskleider und Hochzeitszeremonien gesprochen, über Captain Lennox und was dieser Edith gesagt hatte, über das zukünftige Leben in Korfu wo sein Regiment stationiert war; auch über die Schwierigkeit ein Klavier richtig zu stimmen (Edith schien das als eine der grössten Herausforderungen zu sehen, die je in ihrem verheiraten Leben auf sie zu kommen könnte), welche Kleider sie für ihre Besuche in Schottland gleich nach der Hochzeit brauchte. Doch das Geflüster hörte sich immer schläfriger an und Margaret fand, nach einer paar Minuten Pause, dass Edith eingedöst war trotz des geschäftigen Lärms aus dem Nebenzimmer. Sie hatte sich zu einem sanften Ball aus Muslim, Bändern und seidigen Locken eingerollt.

Margaret war gerade dabeigewesen ihrer Cousine von ihren Zukunftsplänen für ihr Leben in der Pfarrei auf dem Lande zu erzählen. Dort lebten ihr Vater und ihre Mutter und dort hatte sie immer ihre Ferien verbracht. Aber in den letzten 10 Jahren war ihr eigentliches zu Hause bei ihrer Tante Shaw gewesen. Da kein Zuhörer da war, dachte sie schweigend über die Veränderung in ihrem Leben nach. Es war ein glückliches Sinnieren auch wenn etwas Bedauern aufkam, wenn sie daran dachte, dass sie von nun an von ihrer sanften Tante und ihrer lieben Cousine auf eine unbestimmte Zeit getrennt sein würde. Während ihre Gedanken um die wichtige Aufgabe kreisten, die sie als einzige Tochter im Helstone Pfarrhaus wahrzunehmen hatte, hörte sie Gesprächsfetzen aus dem Nebenraum. Ihre Tante Shaw sprach zu den fünf oder sechs Damen, die hier gespiesen hatten und deren Ehemänner immer noch im Esszimmer waren. Alle waren gute Bekannte, Nachbaren, die Mrs Shaw als Freunde bezeichnete, weil es sich traf, dass sie mit ihnen öfters als mit allen anderen Leuten ass und wenn sie oder Edith etwas brauchten oder oder die Nachbaren etwas benötigten, gingen sie ohne Skrupel zu ihnen und das sogar vor dem Mittagessen. Diese Damen und ihre Männer waren, in ihrer Eigenschaft als Freunde, zu einem Abschiedsessen zu Ehren von Edith's bevorstehender Hochzeit eingeladen worden. Edith war gar nicht einverstanden gewesen mit diesem Vorhaben, da Capitain Lennox just an diesem Abend spät zurückerwartet wurde. Aber, obschon sie ein verwöhntes Kind war, war sie zu faul um ihren Willen durchzusetzen und sie stimmte schliesslich zu, als sie sah welche besonderen Köstlichkeiten ihre Mutter bestellt hatte. Delikatessen waren immer ein effizient Mittel gegen übergrossen Kummer bei Abschiedsessen. Edith selbst begnügte sich mit dem Essen auf dem Teller zu spielen und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Ihre Miene war ernst und abwesend während alle anderen sich an den Worten von Mr Grey erfreuten. Er, der immer bei Mrs Shaw's Abend Parties am anderen Ende des Tisches sass, bat Edith etwas Musik zu machen. Mr Grey was besonders angetan vom Abschiedsessen und die Herren blieben länger als sonst im Esszimmer und das war gut so wie Margaret aus den Gesprächsfetzen, die sie überhörte, schloss.

Ich selbst litt zu sehr unter dem Alterunterschied, nicht dass ich nicht äusserst glücklich mit dem lieben alten General gewesen wäre, aber es ist ein Nachteil; einen den ich entschlossen war meiner Tochter zu ersparen. Natürlich, ohne jegliche mütterliche Voreingenommenheit, sah ich , dass meine liebes Kind früh heiraten würde; sicher ich sagte oft, dass sie vor 19 verheiratet sein würde. Ich hatte gleich eine Vorahnung als Captain Lennox -- und da wurde ihre Stimme leiser und verwandelte sich in ein Flüstern -- aber Margaret konnte leicht den Text ergänzen. Die Geschichte von Edith's wahrer Liebe war ausserordentlich einfach. Mrs Shaw, wie sie es ausdrückte, gab ihrer Vorahnung nach und hatte eher zu der Heirat gedrängt obwohl sie vielleicht eher unter den Erwartungen vieler Bekannter blieb für so eine junge und hübsche Erbin. Aber Mrs Shaw sagte, ihr einziges Kind sollte aus Liebe heiraten -- und seufzte tief -- als ob Liebe wäre nicht der wahre Grund für ihre Heirat mit dem General gewesen wäre. Mrs Shaw freute sich vielleicht noch mehr als ihre Tochter über die Romanze der Verlobung. Nicht dass Edith nicht durchaus und richtig verliebt war; aber sie hätte sicherlich ein grosses Haus in Belgravia dem pittoresken Leben, das Capitain Lennox in Korfu beschrieb, bevorzugt. Bei genau die Schilderungen, die Margaret begeisterten, gab Edith vor, zu erschaudern; teils weil es ihr Spass machte von ihrem Verlobten liebevoll aus ihrer Abneigung herausgelockt zu werden, teils weil alles zigeunerhafte und unstete ihr wirklich zuwider war. Trotzdem, wäre jemand gekommen mit grossem Haus, einem grossen Grundbesitz und einem feinen Titel obendrauf, sie würde dennoch zu Captain Lennox gehalten haben so lange diese Versuchung da war. Danach wäre es möglich, dass sie es etwas bereuen würde, dass Captain Lennox nicht alles was begehrenswert war, in seiner Person verband. In dieser Hinsicht war war sie wirklich das Kind ihrer Mutter, die sich andauernd wenn auch leise über ihr schweres Schicksal beklagte, dass sie mit jemandem verbunden war, den sie nicht lieben konnte. Sie hatte bewusst General Shaw geheiratet aber mit keinem wärmerem Gefühl als Respekt für seine Person und seinen Haushalt.

"Ich habe keine Ausgaben für ihre Aussteuer gescheut" waren die nächsten Worte, die Margaret hörte, "Sie hat all diese wunderbaren indischen Schals und Tücher, welche der General mir gab, die ich aber nicht mehr tragen werde."

"Sie ist ein glückliches Mädchen", antwortete eine andere Stimme. Margaret wusste, dass es Mrs Gibson war, eine Dame, die doppelt an der Konversation interessiert war weil eine ihre Töchter vor ein paar Wochen geheiratet hatte. "Helen hätte für ihr Leben gerne einen indischen Schal gehabt aber als ich den extravaganten Preis erfuhr, sah ich mich gezwungen, Nein zu sagen. Sie wird sicher recht eifersüchtig sein, wenn sie von Edith's Schals erfährt. Wie sind die? Dehli? mit den wunderbaren kleinen Bordüren?"

Margaret hörte wieder die Stimme ihrer Tante aber diesmal klang es so, als ob sie aus ihrer halb liegenden Position aufgestanden wäre und in das sparsam erleuchtete rückwärtige Wohnzimmer schauen würde. "Edith! Edith!" rief sie und dann sank die Stimme als ob sie durch die Anstrengung ermüdet wäre. Margaret trat hervor.

"Edith schläft", Tante Shaw. "Kann ich etwas tun?"

Alle Damen sagte "das arme Kind" als sie die bedrückende Nachricht hörten und der kleine Schosshund in Mrs Shaw's Armen begann zu bellen. "Schhhh, Tiny"! Du kleines böses Mädchen du wirst dein Herrchen aufwecken. Ich wollte nur Edith bitten, Newton zu fragen, ob sie ihr die Schals bringen würde. Würdest du gehen, Margaret?" Margaret ging in das ehemalige Kinderzimmer ganz oben im Hause wo Newton mit Spitzen beschäftigt war, die für die Hochzeit gebraucht wurden. Während Newton die Schals holte (nicht ohne leise zu meckern), die heute schon vier oder fünf mal gezeigt worden waren, schaute Margaret sich im Zimmer um, dem ersten Raum in diesem Haus den sie vor neun Jahren gekannt hatte als

sie wild und ungezähmt aus dem Wald kam um das Haus, das Spielen und die Schule mit ihrer Cousine Edith zu teilen. Sie erinnerte sich an das dunkle, kaum beleuchtete Londoner Kinderzimmer, das von einem strengen, pedantischen Kindermächen geleitet wurde, die grossen Wert auf saubere Hände legte und zerrissene Röcke gar nicht mochte. Sie dachte an die erste Tasse Tee hier oben -- ohne ihren Vater und ohne ihre Tante, die irgendwo unten, nach einer Unzahl von Treppenfluchten, im Hause assen und (so dachte das Kind) wenn sie nicht im Himmel sind, sind sie tief in mitten der Erde. Zu Hause, bevor sie nach Harely Street kam, war ihr Kinderzimmer das Ankleidezimmer ihrer Mutter und da sie in der Pfarrei früh assen hatte Margaret ihr Essen immer mit Vater und Mutter eingenommen. Oh wie sich das grosse, stattliche 18-jährige Mädchen an den Kummer des kleinen 9-jährigen Kindes erinnerte als sie in dieser ersten Nacht ihr Gesicht unter der Bettdecke versteckte und wie vom Kindermädchen gebeten wurde, nicht zu weinen weil dies Miss Edith stören könnte; und wie sie genau so bitterlich aber leiser geweint hatte bis ihre eindrucksvolle, hübsche Tante, die sie eben erst gesehen hatte, mit Mr Hale leise nach oben gekommen war, um ihm seine kleine schlafende Tochter zu zeigen. Danach unterdrückte die kleine Margaret ihre Seufzer und versuchte so unbeweglich zu liegen als ob sie schlafen würde. Sie hatte Angst, ihren Vater durch den Kummer unglücklich zu machen und den sie nicht ihrer Tante zu zeigen wagte. Sie selbst empfand ihn als unrecht nach all dem langen Hoffen, Planen und Ränke schmieden zu Hause bevor Margaret's Kleider Garderobe an ihre geänderten, vornehmeren grösseren Lebensumstände angepasst werden konnten und bevor Papa seine Pfarrei verlassen konnte um nach London zu kommen -- wenn auch nur für ein paar Tage.

Inzwischen hatte sie das alte Kinderzimmer zu lieben gelernt obschon es nun mehr nur ein ausgeräumter Raum war. Sie schaute sich um, mit einem katzenartigen Bedauern alleine bei der Vorstellung ihn in drei Tagen für immer zu verlassen.

"Ah Newton!" sage sie, "ich denke, wir werden alle traurig sein, diesen lieben alten Raum zu verlassen."

"Ich sicherlich nicht, Miss. Meine Augen sind nicht mehr so gut wie sie einmal waren und das Licht hier drin ist so schlecht, dass ich keine Spitzen ausbessern kann ausser direkt am Fenster wo immer eine grässlicher Durchzug ist -- genug für den Tod durch Erfrieren."

"Na gut, ich wage es nun einfach mal zu sagen, dass du genug Licht und viel Wärme in Neapel haben wirst. Hebe dir soviel wie möglich Stopfen auf bis dahin. Danke Newton, ich nehme sie hinunter -- du bist beschäftigt."

Margaret ging mit den Schalen beladen nach unten und atmete dabei deren würzigen östlichen Geruch ein. Ihre Tante bat sie als eine Art Modepuppe zu dienen um, die Tücher zu zeigen, da Edith noch immer schlief. Niemand dachte daran, ihre grosse aber schlanke Figur in dem schwarzen Seidenkleid, das sie als Zeichen der Trauer für einen entfernten Verwandten ihres Vaters trug, zeigte auf beste die wunderbaren Falten der prächtigen Schals, die Edith fast erdrücken würden

Ihre Tante war so beschäftigt mit Mr Henry Lennox -- der nicht zum Abendessen kommen konnte -- mit allerlei Fragen zu bomardieren über seinen Bruder, den Bräutigam; seine Schwester, die Bautjungfer (die mit dem Kapitän von Schottland eigens für dieses Ereignis kam) und ihn über verschiedene andere Mitglieder der Lennox Familie zu befragen. Margaret wurde es klar, dass sie nicht mehr als Schalträgerin gebraucht wurde und sie wandte sich der Unterhaltung der anderen Besucher zu, die ihre Tante momentan ganz vergessen hatte. Fast plötzlich kam Edith vom hinteren Wohnzimmer, sie blinzelte im helleren Licht und sie schüttelte ihre etwas in Unordnung geratenen Locken zurück und sah so aus wie Dörnröschen, das gerade aus seinen Träumen erwacht war. Sogar in ihrem Schlaf hatte sie instinktiv gewusst, dass ein Lennox es wert war, aufzustehen und sie hatte eine Menge Fragen über die liebe Janet, die zukünftige und bisanhin noch nie gesehene Schägerin, für die sie eine grosse Zuneigung zeigte. Margaret's Stolz verhinderte einen möglichen aufkommenden Neid gegenüber dem Emporkömmling. Als die Tante sich an der Konversation beteiligte, fiel Margaret noch etwas mehr in den Hintergrund. Sie sah wie Henry Lennox einen Blick auf einen freien Stuhl in ihrer Nähe warf und sie wusste, dass er -- sobald er von Edith's Fragen befreit war -- sich auf diesen Stuhl setzen würde. Der Bericht der Tante von Henry's Termin war so konfus gewesen, dass Margaret sich nicht sicher gewesen war, ob er an diesem Abend kommen würde; es war fast eine Überraschung, ihn zu sehen und nun freute sie sich auf einen angenehmen Abend. Er mochte und lehnte fast dieselben Dinge wie sie selbst. Margaret's Gesicht erhellte sich in eine ehrliche, offene Munterkeit. Nach und nach kam er. Sie empfing ihm mit einem Lächeln ohne jeglichen Hauch von Schüchternheit noch Selbstbewusstsein.

"Ich vermute sie sind in den Tiefen des Geschäftes -- Damenangelegeheiten, meine ich. Ganz unterschiedlich zu meinem Geschäft, die richtigen, bodenständigen (true ) Rechtsgeschäfte. Mit Schals spielen ist ein ganz anderes Geschäft als Veträge aufzusetzen."

"Ich wusste, es würde sie amüsieren, uns so vertieft in Putz zu finden. Aber wirklich, indische Schals sind einfach das Sinnbild der Perfektion."

"Ich hege keinerlei Zweifel, dass dem so ist. Ihre Preise sind auch sehr perfekt. Nichts fehlt."

Die Männer kamen nacheinander in den Salon und das Stimmengewirr und der Lärm nahm einen tieferen Tonfall an.

"Dies ist doch ihr letztes Abendessen? Es wird keines mehr bevor Donnerstag geben?"

"Nein nach diesem Abend werden wir uns erst einmal ausruhen, was wir, da ich bin ich sicher, während vieler Wochen nicht getan haben; zum mindest nicht diese Art von Ruhe bei der man die Hände in den Schoss legen kann. Es gibt nichts mehr zu tun, alle Vorbereitungen für ein Ereignis, das Herz und Hand bewegt, sind abgeschlossen. Ich bin froh, Zeit zum Nachdenken zu haben und sicherlich auch Edith."

"Bei ihr bin ich mir da nicht so sicher aber bei ihnen kann ich es mir vorstellen. Jedesmal wenn ich sie in letzter Zeit sah, wurden sie von einem Wirbelwind im Auftrag Dritter davongetragen".

"Ja" antwortet Margaret eher traurig als sie sich an die nicht enden wollenden Aufregung wegen Nichtigkeiten erinnerte. Kleinigkeiten, die über einen Monat in Anspruch nahmen: "Ich frage mich, ob eine Hochzeit immer -- wie sie es nennen -- ein Wirbelsturm vorausgehen muss oder ob es in manchen Fällen nicht möglich ist, eine ruhige und friedliche Zeit zu haben".

"Zum Beispiel Aschenbrödels Stiefmutter, die die Aussteuer besorgt, sich um das Hochzeitsessen kümmert und die Einladung schreibt", sagte Mr Lennox lachend.

 

"Aber sind diese Mühen wirklich notwenig?" entgegnete Margaret und schaute ihn dabei fragend in die Augen. Ein Gefühl einer unbeschreiblichen Verdrossenheit über all diese Vorbereitungen überfiel sie. In den vergangenen sechs Wochen war Edith die oberste Instanz gewesen damit auch alles hübsch aussah. Margaret war gerade etwas deprimiert und wollte jemanden, der sie im Zusammenhange mit einer Hochzeit, auf ein paar nette, ruhige Ideen brachte.

"Oh sicher" antwortete er, wobei sein Tonfall ernster wurde. "Es gibt Bräuche und Gepflogenheiten, die man respektieren muss -- vielleicht weniger zu einer eigenen Freude sondern damit die Welt sich nicht das Maul verreisst und ohne deren Einhaltung es weniger Zufriedenheit im Leben geben würde. Aber wie sehen sie ihre eigene Hochzeit?"

"Ich habe nie viel darüber nachgedacht, ich wünschte, es wäre ein wunderbarer Sommermorgen und ich möchte unter dem Schatten der Bäume zur Kirche gehen; und ich möchte weder so viele Brautjungfern noch ein Hochzeitsessen. Vermutlich wende ich mich genau gegen diese Dinge, die mir in letzter Zeit, die meiste Mühe gemacht haben."

"Nein das glaube ich nicht. Die Vorstellung einer vornehmen Einfachheit passt gut zu Ihrem Charakter."

Margaret gefiel dieses Gespräch nicht allzusehr. Sie scheute mehr davor zurück, da sie sich an frühere Gelegenheiten erinnerte, bei denen er vorsucht hatte, sie in eine Diskussion zu treiben (wobei der den schmeichelhaften Teil übernahm) über ihren eigenen Charakter und wie es weiter gehen würde. Sie unterbrach ihn und sagte:

"Für mich ist es normaler an einen Spaziergung zur Kirche in Helstone zu denken als an eine Fahrt mitten auf London's gepflasterten Strassen".

 

"Erzählen sie mir von Helstone. Sie haben es mir nie beschrieben. Ich hätte gerne eine Vorstellung von dem Ort in dem sie leben werden wenn Harley Street 96 schäbig, schmutzig, langweilig und geschlossen sein wird. Als erstes, ist Helstone ein Dorf oder eine Stadt?"

"Oh nur ein Weiler, ich denke wirklich nicht, dass man es als Dorf bezeichnen könnte. Es gibt eine Kirche und auf der Wiese daneben ein paar Häuser -- eher Cottages -- überwachsen mit Rosen".

"Und die Rosen blühen das ganze Jahr über, speziell an Weihnachten -- das wäre wirklich ein vollkommenes Bild", sagte er.

"Nein" antwortete Margaret etwas verärgert. "Ich male kein Bild sondern versuche Helstone so zu beschreiben wie es wirklich ist. Sie hätten dies besser nicht gesagt".

"Ich bin zerknirscht", sagte er, "nur es klang wirklich eher wie ein Dorf in einem Märchen als im wirklichen Leben".

"Und so ist es auch" gab Margaret eifrig zurück. "All die anderen Orte, die ich in England gesehen habe scheinen so hart und prosaisch verglichen mit dem New Forrest. Helstone ist wie ein Dorf in einem Tennyson Gedicht. Aber ich werde gar nicht versuchen es weiter zu beschreiben. Sie würden mich nur auslachen, wenn Sie wüssten wie ich darüber denke -- und wie es wirklich ist".

"Sicherlich würde ich dies nicht tun. Aber ich sehe, sie sind sehr entschlossen. Gut, dann beschreiben sie mir -- und darauf bin ich noch viel neugieriger -- das Pfarrhaus."

"Das kann ich nicht, es ist mein Zuhause und ich kann diesen Charme nicht in Worte kleiden".

"Ich unterwerfe mich ihnen aber sie sind ziemlich streng heute, Margaret".

"Wie das" sagte sie und richtete ihre eheren grossen, runden, sanften Augen voll auf ihn. "Ich wusste nicht, dass ich das war".

"Warum? Weil ich eine unglückliche Bemerkung machte, wollen Sie mir weder über Helstone noch irgenwas über ihr Zuhause erzählen, obschon ich Ihnen gesagt habe, dass mir sehr daran gelegen ist über beides zu hören und über das letztere im Besonderen".

"Aber ich kann Ihnen wirklich nicht mein eigenes Zuhause beschreiben. Ich denke wirklich nicht, dass man daüber sprechen kann ausser sie würden es kennen."

"Nun denn" und er suchte einen Moment nach Worten "sagen Sie mir, was sie dort tun. Hier lesen sie, haben Unterricht oder bilden sich sonst weiter bis mittags, dann machen Sie vor dem Mittagessen einen Spaziergang, danach fahren Sie mit Ihrer Tante aus und haben allerlei Verabredungen abend. Was werden Sie in Helstone tun. Werden Sie reiten, ausfahren oder spazieren?"

"Fraglos spazieren. Wir haben kein Pferd, nicht mal für Papa. Er geht bis zu den äussersten Grenze seiner Pfarrei. Die Spaziergänge sind so schön, es wäre eine Schande zu fahren und fast eine Schande zu Reiten."

"Werden Sie viel gärtnern?" Ich denke das ist eine angemessene Beschäftigung für junge Damen auf dem Lande?"

"Ich weiss nicht. Ich fürchte, ich würde solche harte Arbeit nicht mögen".

"Pfeilbogenschiessen, Pick-Nicks, Reiterbälle, Jagdempfänge?"

"Nein" entgegnete sie lachend, Papa's Pfründe sind sehr klein und selbst wenn es in der Umgebung solche Festivitäten geben sollte, zweifle ich sehr, dass ich dorthin gehen könnte".

"Ich sehe, sie wollen mir einfach nichts erzählen. Sie verranten mir lediglich was sie nicht tun werden. Ich denke, ich werde Sie vor Ende der Urlaubs besuchen kommen, um selbst zu sehen, was Sie wirklich tun".

"Ich hoffe Sie werden es. Dann werden Sie selbst sehen, wie wunderschön Helstone ist. Nun muss ich gehen. Edith setzt sich eben und ich verstehe gerade genug von Musik, um ihr die Notenblätter zu drehen und zudem würde Tante Shaw unser Gespräch nicht schätzen".

Edith spielte glanzvoll. Mitten im Stück öffnete sich die Türe halb und Edith sah Kapitän Lennox zögern, ob er hereinkommen solle. Sie liess ihre Musik, Musik sein und stürmte nach draussen. Margaret blieb verwirrt und errötet zurück und musste den erstaunten Gästen erklären, welche Erscheinung Edith's plötzliche Flucht verursacht hatte. War Kapitän Lennox früher als erwartet nach Hause gekommen oder war es wirklich schon so spät? Die Gäste schauten auf ihre Uhren und waren gebührend schockiert und verabschiedeten sich.

Dann kam Edith zurück, strahlend vor Vergnügen, halb scheu, halb stolz, und sie brachte ihren grossen, gutaussehenden Kapitän mit. Sein Bruder schüttelte seine Hand und Mrs Shaw hiess ihn willkommen in ihrerer sanften und freundlichen Art, die immer etwas wehleidiges an sich hatte da sie sich stets als Opfer ihrer unerfreulichen Ehe betrachtete. Nun da der General gestorben war, führte sie ein sehr gutes Leben mit ganz wenigen Nachteilen und sie selbst war echt erstaunt, dass sie eine Beklemmung wenn nicht sogar Trauer empfand.

 

Margaret versuche sie auf die wunderbaren, breiten, höhergelegenen, sonnengebadeten, wolkenüberschatten Gemeindewiesen zu locken, denn sie war sich sicher, ihre Mutter hatte sich zu sehr an das Leben im Haus angewohnt da sie selten weiter ging als bis zur Kirche, der Schule oder den benachbarten Cottages. Eine Weile war Margaret Weile erfolgreich aber als der Herbst näher kam und als das Wetter wechselhafter wurde, drückte ihre Mutter wieder vermehrt ihre Besorgnis über die Ungesundheit des Ortes aus. Sie breute immer öfters, dass ihr Mann, der sicher gebildeter war als Mr Hume und ein besserer Gemeindepfarrer war als Mr Houldsworth, nicht die gleiche Beförderung erhalten hatte wie diese beiden ehemaligen Nachbaren.

Der häusliche Frieden wurde durch lange Stunden der Unzufriedenheit gestört und darauf war Margaret nicht vorbereitet gewesen. Sie wusste -- ja hatte sogar in dieser Idee geschwelgt -- dass sie auf einigen Luxus würde verzichten müssen, welche in der Harley Street Zeit eher Belästigung und Fesseln ihrer Freiheit waren. Ihre grosse Freude an jedem sinnlichen Vergnügen war sehr ausgewogen, sogar etwas zuviel, durch ihren unbewussten Stolz, der ihr sagte, dass sie im Notfall auch ohne jeden Luxus auskommen würde. Aber die Wolke kommt nie aus der Horizontecke aus der wir sie erwarten. Zwar hatte es schon während der Sommerferien, die Margaret regelmässig zu Hause zu verbrachte, Andeutungen und vorübergehendes Bedauern über ein nichtiges Detail in Bezug auf Helstone und auf die Stellung ihres Vaters gegeben, doch hatte sie diese Vorfälle in ihren glücklichen Erinnerungen an diese Zeiten, völlig verdrängt.

Im späten September kamen die herbstlichen Regen und Stürme und Margaret musste öfters als zuvor zu Hause bleiben. Helstone war etwas entfernt und sie hatten keine unmittelbaren Nachbaren vom gleichen kulturellen Niveau. "Zweifellos ist eines der abgelegtesten Dörfer in ganz England" sagte Mrs Hale niedergeschlagen. "Ich kann es nicht genug bedauren, dass Papa hier niemanden hat, es ist so eine Verschwendung, dass er hier Woche für Woche nur Bauern und Arbeiter sieht. Wenn wir nur auf der anderen Seite der Pfarrei leben würden, das wäre schon besser. Dann wären wir fast in Gehdistanz zu den Stansfields und ganz sicher zu den Gormans".

"Gormans", sagte Margaret. Sind das diese Gormans, die ihr Vermögen durch Handel in Southampton gemacht haben? Oh ich bin froh, dass wir nicht mit ihnen verkehren. Ich mag keine Krämer. Ich glaube es geht uns viel besser, wenn wir nur Bauern und Feldarbeiter kennen, und Leute ohne Anspruch."

Sei nicht so heikel, Margaret Liebes!" sagte ihre Mutter und dachte im Geheimen an den jungen, gutaussehenden Mr Gorman, den sie einmal bei Mr Hume getroffen hatte.

"Nein! Ich betrachte meinen Geschmack als sehr breitgefächert, ich mag alle Leute, die mit Land zu tun haben; ich mag Soldaten und Seeleute, und die drei gelehrten Berufe, wie sie genannt werden. Ich bin sicher Mama du willst nicht, dass ich Metzger und Bäcker bewundere oder Kerzenhersteller?"

"Aber die Gormans waren weder Metzger noch Bäcker noch Kerzenmacher sondern sehr angesehene Kutschenbauer."

"Na gut. Aber Kutschenbauen ist trotzdem Handel und deshalb meiner Meinung nach noch unnützer als Metzger oder Bäcker. Oh wie überdrüssig war ich der täglichen Kutschenfahrten mit Tante Shaw -- wie viel lieber wäre ich gelaufen".

Und Margaret spazierte, trotz des Wetters. Sie war so glücklich im Freien, an der Seite ihres Vaters, dass sie beinahe über die Wiesen tanzte, angetrieben von der sanften Gewalt des Westwindes, so leicht und anmutig wie ein fallendes Blatt, das durch die Herbstbrise getrieben wird. Doch es war schwierig, die Abende angenehm zu verbringen. Unmittelbar nach dem Tee verschwand ihr Vater in der kleinen Bibliothek und sie und ihre Mutter blieben alleine zurück. Mrs Hale hatte nie viel für Bücher übrig gehabt und hatte schon am Anfang ihrer Ehe ihren Mann entmutigt, ihr vorzulesen während sie mit einer Handarbeit beschäftigt war. Sie hatten es einmal mit Backgammon versucht; aber Mrs Hale betrachtete die Unterbrechungen, die eintraten als Mr Hale mehr und mehr Interesse an der Schule und an seinem Kirchensprengel gewann, nicht als eine natürliche Folge seines Berufes sondern als Härte ihr gegenüber. So hatte er es sich angewohnt, falls er zu Hause war, sich in die Bibliothek zurückzuziehen als die Kinder noch klein waren. Die Lektüre von theoretischen und metaphysischen Büchern war sein ganzes Vergnügen.

Während der Sommerferien hatte Margaret jeweils eine ganze Kiste voller Bücher mitgebracht, die ihre Lehrer oder Governante ihr empfohlen hatte. Aber der Sommer war zu kurz, um alle zu lesen bevor sie nach London zurückfuhr. Jetzt gab es nur ein paar gut gebundene englische Klassiker, die von ihrem Vater aus der Bibliothek ausgeschieden worden waren und die nun ein kleines Regal im Wohnzimmer füllten. Thomson's Seasons, Hayley's Cowper; Middleton's Cicero waren bei weitem die leichtesten, neuesten und amüsantesten. Das Bücherregal gab nicht viel her. Margaret erzählte ihrer Mutter jede Einzelheit aus ihrem Londoner Leben. Mrs Hale hörte interessiert zu, manchmal belustigt und manchmal fragte sie nach. Ab und zu neigte sie dazu das angenehme und sorglose Leben ihrer Schwester mit den schmäleren Mitteln in der Helstone Pfarrei zu vergleichen. An solchen Abenden hörte Margaret ziemlich jäh auf zu sprechen und lauschte den Regentropfen, die auf das Blei über dem Erkerfenster fielen. Ein- oder zweimal ertappte sich Margaret, wie sie mechanisch den monotonen Rhythmus der Tropfen zählte während sie sich fragte, ob sie das Thema, das ihr wirklich am Herzen lag, anschneiden dürfte: die Frage, wo Frederick jetzt war, was er tat und wann sie zum letzten Mal von ihm gehört hatten. Aber das Bewusstsein um die zarte Gesundheit ihrer Mutter und dass deren Abneigung gegen Helstone aus der Zeit der Meuterei stammten, in welche Frederick verwickelt war liess sie nachdenken und sie entschied sich wie immer gegen die Frage. Die wahre Geschichte schien nun in traurige Vergessenheit zu geraten. Vermutlich gab es nicht viel Neues.

 

 

Margaret, in ihrem Morgenkleid gekleidet, reiste ohne Aufhebens mit ihrem Vater, der an der Hochzeit teilgenommen hatte, nach Hause zurück. Ihre Mutter war, aus einer Vielzahl von Gründen und Ausreden, die keiner, ausser Mr Hale, so richtig verstand, nicht gekommen. Er war sich durchaus bewusst, dass all sein Argumente betreffend eines grauen Satinkleid nichts gefruchtet hatten. Das gue Stück, ein Mittelding zwischen Alt und Neu, war als ungenügend eingestuft worden und da er nicht das Geld hatte, seine Frau von Kopf bis Fuss neu einzukleiden, wollte sie sich nicht an der Hochzeit des einzigen Kindes ihrer Schwester zeigen. Hätte Mrs Shaw den wahren Grund, der Abwesenheit ihrer Schwester erraten, hätte sie sie mit Kleidern überschüttet. Aber es war fast 20 Jahre her seit Mrs Shaw die arme, hübsche Miss Beresford war und in der Zwischenzeit hatte sie wirklich allen Kummer vergessen ausser denm einen, der sich auf den grossen Alterschied in der Ehe bezog. Über dieses Thema hätte sie im halb-stündlichen Takt ein Lied singen könnte. Die liebste Maria hatten den Mann ihres Herzen geheiratet, gerade nur acht Jahre älter als sie selbst, einen Mann mit einem ausgesprochen angenehmen Charakter und dazu er hatte dieses schwarz-blaue Haar, das man so selten sieht. Mr Hale war einer der wunderbarsten Prediger, den sie jemals gehört hatte und ein Modell eines Gemeindepfarrers. Vielleicht war es nicht die logischste aller Ableitungen als sie über das Schicksal ihrer Schwester nachdachte aber trotzdem war es Mrs Shaw's innerste Überzeugung: "eine Liebesheirat, was auf der Erde kann die liebste Maria sich mehr wünschen"? Wenn Mrs Hale die Wahrheit gesagt hätte, hätte sie vielleicht mit einer bereits vorhandenen Wunschliste geantwortet: ein silber graues glacé Kleid, einen weissen durchbrochenen Hut, oh Dutzende von Dingen für die Hochzeit und Hunderte für das Haus.

Margaret wusste nur, dass ihre Mutter es vorgezogen hatte, nicht zu kommen und sie war nicht traurig, dass das Wiedersehen in der Helstone Pfarrei stattfinden würde anstatt mitten im Trubel der letzten zwei, drei Tage im Haus an der Harley Street wo sie selbst die Rolle des Figaros zu spielen hatte und wo sie überall gleichzeitg gebraucht wurde. Ihre Seele und ihr Körper schmerzten bei der Erinnerung an all das, was sie in the letzten 48 Stunden getan und gesagt. Die so kurzen Adieus, zwischen allen anderen Verabschiedungen von Leuten, mit denen sie so lange zusammen gelebt hatte, tat ihr weh und es kam ein Gefühl der Traurigkeit für eine Zeit, die vorbei war, auf. Es war nicht wichtig, wie diese Zeit gewesen waren, sie war endgültig vorbei und würde nie wieder kommen. Margaret's Herz fühlte sich schwerer an als sie es sich jemals vorgestellt hätte jetzt da sie nach Hause ging, zurück zu diesem Leben nachdem sie sich gesehnt hatte. Sie wandte sich von ihrem Abschiedsschmerz ab und der hellen und heiteren Betrachtung der hoffnungsvollen Zukunft zu. Ihre Augen sahen nicht die Erinnerungen was einmal war, sondern das was vor ihr war: ihren lieben Vater, der sich zurücklehnte und im Eisenbahnwagon eingeschlafen war. Sein blau-schwarzes Haar war nun grau und lagen dünn auf seiner Stirn. Seine Gesichtsknochen traten hervor -- zu sehr, um schön zu sein -- aber dank seiner feinen Gesichtszügen hatten sie ihre eigene Anmut, wenn nicht gar Wohlgestalt. Sein Gesicht war entspannt aber es war eher ein Ausruhen nach einer Anstrengung als die heitere Ruhe von jemandem, der ein friedliches und zufriedenes Leben hatte. Margaret war bestürtzt über seinen abgearbeiteten, beunruhigten Ausdruck; sie dachte über seine Lebensumstände nach, die ihr bekannt waren um den Grund für die Gesichtslinien zu finden, die so deutlich von ständigem Kummer und Sorgen sprachen.

"Armer Frederick!" dachte sie und seufzte. "Wenn Frederick nur Geistlicher geworden wäre statt in die Marine einzutreten und so für uns alle verloren ist! Ich wünschte, ich wüsste was alles vorgefallen ist. Ich habe die Erklärungen von Tante Shaw nie verstanden; ich wusste nur, dass er wegen dieser schrecklichen Geschichte nicht mehr nach England zurückkommen kann. Armer lieber Papa! wie traurig er ausschaut! Ich bin so froh, nach Hause zu kommen, dazusein und ihn und Mama zu trösten.

Sie war mit einem hellen Lächeln bereit ohne jede Spur von Müdigkeit ihren Vater zu grüssen als er aufwachte. Er lächelte zurück aber schwach als ob dies eine ungewöhnliche Anstrengung wäre. Sein Gesichtsausdruck fiel wieder in die gewohnten, beunruhigten Linien zurück. Er hatte die Angewohnheit den Mund halb zu öffnen, so als ob er sprechen würde, was die Form seiner Lippen ständig veränderte und dem Gesicht einen unentschlossenen Ausdruck gab. Aber er hatte die selben grossen, weichen Augen wie seine Tochter, Augen, die sich langsam und fast grossartig in ihren Augenhöhlen bewegten und sie waren verschleiert durch die durchsichtigen, weissen Augenlider. Margaret ähnelte ihm mehr als ihrer Mutter. Manchmal fragten sich Leute, wie es möglich war, dass so gut aussende Eltern eine Tochter hatten, die so gar nicht dem normalen Schönheitsbild entsprach; ja manchmal wurde gesagt "gar keine Schönheit". Ihr Mund war breit, keine Rosenknospe, die sich gerade nur so weit öffnen konnte um "ja" oder "nein" und "bitte Sir" zu sagen. Aber der breite Mund was eine einzige weiche Kurve aus vollen roten Lippen und die Haut, wenn nicht weiss und hell, erinnerte an die weiche Glätte und Feinheit von Elfenbein. Auch wenn der Ausrdruck ihres Gesichts im allgemeinen für ein so junges Mächen zu würdig und reserviert war, so war es doch hell wie der Morgen, voller Grübchen, nun da sie mit ihrem Vater sprach, und die Blicke sprachen von kindlicher Freude und grenzenlose Hoffnung in die Zukunft.

Margaret kehrte in der zweiten Juli Hälfte zurück. Die Bäume im Wald waren alle vom selben dunklen grün, das Farn darunter fing die schräg einfallenden Sonnenstrahlen auf; das Wetter war schwühl und windstill. Margaret war es gewohnt neben ihrem Vater her zu stampfen und die Farne mit einer grausamen Freude auf den Boden zu drücken da sie fühlte wie diese unter ihrem leichten Fuss nachgaben und den ganz eigenartigen Geruch nach oben schickten, aus dem ausgedehnten Gemeindewald heraus in das warme, duftende Licht, wo sie viele wilde, frei lebende Tiere, Blumen und Pflanzen sahen, die sich alle am Sonnenschein erfreuten. Dieses Leben -- zu mindest diese Spaziergänge -- erfüllten Margaret's Erwartungen. Sie war stolz auf ihren Wald. Seine Leute waren ihre Leute. Es waren ihre guten Freunde, sie lernte deren Ausdrücke und liebte es diese zu gebrauchen, nahm deren Zwanglosigkeit an, kümmerte sich um deren Babies, sprach oder las mit langsamer Deutlichkeit zu den Alten, trug Leckerbissen zu den Kranken, nahm sich vor, bald an der Schule zu lehren, wo ihr Vater täglich seinen Pflichten nachkam aber sie war in ständiger Versuchung auszubrechen, um einen persönlichen Freund zu sehen -- Mann, Frau oder Kind -- in einer Cottage im grünen Schatten des Waldes. Ihr Leben in der Natur war perfekt. Ihr Leben innerhalb des Hauses hatte Nachteile. Mit der gesunden Scham des Kindes verurteilte sie sich selbst für ihre Weitsicht zu bemerken, dass da nicht alles so war, wie es sein sollte. Ihre Mutter -- ihre Mutter, die immer so lieb und sanft zu ihr war -- schien ab und zu so unzufrieden mit der Situation: Mrs Hale dachte, der Bischof würde sich eigentümlicherweise nicht genügend um seine bischöflichen Pflichten kümmern da er Mr Hale keine lukrativeren Pfründe gab; und sie warf ihrem Mann vor, dass er es nicht über sich brachte, es klar zu sagen, dass er diese Pfarrgemeinde verlassen und eine grössere übernehmen wollte. Er pflegte laut zu seufzen und antwortete, er wäre dankbar wenn er seine Pflichten im kleinen Helstone erfüllen könnte; mit jedem Tag wurde er niedergeschlagener; die Welt wurde immer verwirrender. Immer wenn ihre Mutter weiter auf eine Beförderung dränge, sah Margaret, dass ihr Vater sich immer mehr zurückzog. Sie versuchte dann ihre Mutter mit Helstone zu versöhnen aber Mrs Hale sagte, dass die Nähe der vielen Bäume ihre Gesundheit beeinträchtige.

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